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A Gay Fantasia on National Themes: Die Miniserie Angels in America

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Angels in America ist eine Miniserie aus sechs Teilen, die auf dem Pulitzer Preis-gekrönten Theaterstück von Tony Kushner basiert. Das zweiteilige Drama Angels in America gilt in den USA als wichtigstes Theaterereignis der 1990iger Jahre. Der erste Teil des Theaterstückes – Millenium Approaches wurde 1991 im Eureka Stage in San Francisco uraufgeführt, gefolgt vom zweiten Teil – Perestroika – Ende 1993. Angels in America wurde sehr lange als zu lang, zu künstlerisch, zu politisch, zu queer erachtet, so dass eine Filmadaption von keinem der größeren Filmstudios in Erwägung gezogen wurde, bis sich schließlich nach dreizehn Jahren der TV-Sender HBO dazu entschloss.Angels in America spielt im Jahr 1985 in New York City. Der Plott folgt der langsamen und unausweichlichen Trennung zweier Paare – eines homosexuellen und eines heterosexuellen – vor dem Hintergrund der Reagan-Ära und den frühen Tagen der AIDS-Epidemie.

Louis Ironson, ein jüdischer, linker Büroangestellter am Bundesgericht New Yorks verlässt den an Aids erkrankten Prior Walter, Künstler und Gelegenheitsarbeiter, weil er sich vom Umgang mit Krankheit und Tod überfordert glaubt. Joe Pitt ist ein ehrgeiziger konservativer republikanischer Anwalt am Bundesgerichtshof. Er ist Mormone, ebenso wie seine Frau Harper Pitt, mit der er aus Salt Lake City nach New York gezogen ist und kämpft gegen seine homosexuellen Neigungen.

Harper leidet unter der emotionslosen platonischen Ehe und ahnt Joes uneingestandene Homosexualität. Sie fürchtet sich vor einer aus den Fugen geratenen Welt: 1985 ist auch das Jahr der Entdeckung des Ozonloches. Harper verlässt nicht mehr die Wohnung – ihrem tristen Alltag entflieht sie mit Hilfe von ununterbrochenen durch Valium verursachten Halluzinationen. Eine weitere Rolle spielt der rechtskonservative Anwalt Roy Cohn – ein von zwei Charakteren in Angels in America, die auf eine historische Figur zurückgehen. Er unterbreitet Joe Pitt ein Jobangebot in Reagans Justizministerium in Washington DC. Roy Cohn hat sich ebenfalls mit HIV infiziert, zwingt allerdings seinen Arzt stattdessen Leberkrebs zu diagnostizieren. Denn obwohl Roy Cohn Sex mit Männern hat, ist er nicht homosexuell. Homosexuelle  – so Cohn – sind Männer, die in einem Zeitraum von 15 Jahren kein verdammtes Antidiskriminierungsgesetz durch das Stadtparlament bekommen haben. Er hingegen ist so mächtig, dass er innerhalb von 5 Minuten den US-Präsidenten am Telefon haben kann.

Außerdem ist da noch Belize, ehemalige Drag Queen, Ex-Lover und bester Freund von Prior Walter sowie Roy Cohns späterer Krankenpfleger. Und Hannah Pitt – die Mutter Joe Pitts, eine robuste, streng gläubige  Mormonin, die zunächst die Homosexualität ihres Sohnes zu ignorieren versucht, sich dann aber aus Utah auf den Weg nach New York macht, um die Ehe ihres Sohnes zu retten. Dort angekommen muss sie feststellen, dass dieser Harper bereits verlassen hat und eine Beziehung zu Louis eingegangen ist. Die beiden hatten sich in der 1. Episode auf der Herrentoilette des Gerichtsgebäudes, in dem sie beide arbeiten, kennen gelernt.

Angels in America spielt vor dem Hintergrund der zweiten Legislaturperiode Reagans. Mit Appellen an den amerikanischen Patriotismus, dem Versprechen, die Größe und Überlegenheit der USA wiederherzustellen und offenen Drohungen an die Adresse Moskaus hatte Präsident Reagan in der ersten Amtszeit dem Kalten Krieg einen dramatischen, unversöhnlich klingenden Akzent gegeben. Er veranlasste ein massives Aufrüstungsprogramm und gleichzeitig  umfangreiche “Cutbacks” sozialstaatlicher Standards. Der Übergang zum ökonomischen Neoliberalismus und der neokonservative Roll-back enttäuschte die linken Hoffnungen der 1970er Jahre. Dazu kam noch die Bedrohung durch Aids. Eine Bedrohung, die von Reagan über Jahre ignoriert wurde. Er schloss sich viel mehr der These Jerry Falwells, Fernsehprediger und Präsident des TV-Senders “Christian Broadcasting Network” an. Dieser behauptete, dass es sich bei Aids um den “Zorn Gottes” handele, weshalb die Homosexuellenbewegung bekämpft werden müsse. Derweil stieg die Zahl der Infizierten rasant. Während 1981 lediglich 191 AIDS-Fälle gemeldet wurden, waren acht Jahre später bereits 55.000 Menschen an der Immunschwächekrankheit gestorben.

Für die marktradikalen Konservativen wie Roy Cohn und seinen Anwaltskollegen Heller hingegen führt Reagan die Vereinigten Staaten hinaus aus der Depression des Vietnamtraumas, Watergate, den weltpolitischen Ansehensverlust. Er läutete den Übergang vom Fordismus zum Postfordismus ein. In einer Szene mit Roy Cohn und Joe Pitt triumphiert Heller: “In Washington herrscht Revolution. Bis 1990 ist der Oberste Gerichtshof ein Bollwerk der Republikaner. Wir setzen uns überall durch: Abtreibung, Militär, Mittelamerika, Familienwerte, gutes Investitionsklima. Das Ende des Liberalismus. Das Ende der sozialen Marktwirtschaft. Das Ende des säkularen Humanismus.”

Der Gesundheitszustand Priors verschlechtert sich, so dass er in ein Krankenhaus eingewiesen werden muss. Louis zieht aus der gemeinsamen Wohnung und trennt sich von ihm. Unter dem Einfluss starker Medikamente wird Prior zusehends von Visionen heimgesucht: er erhält „Besuch“ von zwei Vorfahren, die ihm die Ankunft eines  Boten ankündigen. Dieser Engel erscheint Prior schließlich, um ihm mitzuteilen, dass er als Prophet auserkoren wurde. Gott hat die Welt verlassen und die Menschheit verworfen. Die Engel sehnen sich ihn zurück und machen die Menschen für sein Verschwinden verantwortlich. Die Forderung der Engel an die Menschen lautet daher: Stop Moving! Denn wenn die Menschen durch ihr Handeln Leiden produzieren, dann müssen sie aufhören, Geschichte zu machen. Prior widerspricht: Die Menschen können nicht einfach gestoppt werden. Fortschritt, Bewegung und Migration – in der Geschichte der Menschen gibt es keinen Stillstand. Prior erklärt schließlich, dass er nicht bereit ist, sein Leben aufzugeben, um die ihm zugedachte Rolle eines Propheten zu spielen. Er erzwingt seine Rückkehr ins Leben.

Roy Cohn und Joe Pitt geraten in einen heftigen Streit über Joes Entscheidung nicht nach Washington zu gehen, wo Cohn ihn als Mitglied  im Justizministerium braucht, um einen Bestechungs-Prozess gegen ihn zu verhindern. Dem einflussreichen Anwalt droht das Ende der Karriere. Nachdem Joe sein Haus verlassen hat, erleidet Roy Cohn einen Schwächeanfall. In diesem Moment erscheint ihm zum ersten Mal der Geist von Ethel Rosenberg. Ethel Rosenberg ist die zweite historische Figur in Angels in America.

Die jüdische Kommunistin gerät 1950 zusammen mit ihrem Mann Julius Rosenberg in das Visier des FBI. Ihre Verhaftung wegen Atomspionage fällt in die Zeit des hysterischen Anti-Kommunismus des US-Senatoren Joe McCarthys. Obwohl keine Beweise für die Spionagetätigkeit Ethel Rosenbergs vorliegen, wird sie zusammen mit ihrem Mann am 19. Juni 1953 auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Für die Todesstrafe maßgeblich eingesetzt hatte sich Roy Cohn, die rechte Hand McCarthys während der Anhörungen des Komitees für unamerikanische Umtriebe.

Ein weiterer Verweis in die 1950er Jahre und die McCarthy-Ära wird im Streit zwischen Louis und Joe gemacht. Die weltanschaulichen und politischen Unterschiede zwischen dem linken Intellektuellen Louis und Joe, dem konservativen Mormonen und Reagan-Bewunderer eskalieren in einer heftigen Auseinandersetzung, nachdem Louis von Belize erfahren hat, dass Joe ein Protegé Roy Cohns ist.

Have you no decency, sir? – “Haben Sie denn keinen Funken Anstand, Sir?” – lt. Louis DAS geflügelte Wort der amerikanischen Geschichte schlechthin. Diese Frage stellte Joseph Welch an McCarthy, als dieser vom David-Shine-Untersuchungsausschuss aufgefordert wurde, die Namen der 130 angeblich kommunistischen Subversiven zu nennen, die er im  Verteidigungsministerium ausgemacht haben wollte. Stattdessen beschuldigte er Fred Fisher, einen abwesenden Mitarbeiter des Armeerechtsberater Joseph Welch kommunistischer Infiltration. Joseph Welch reagierte auf die unbelegte Behauptung McCarthys mit den Worten: Have you no sense of decency, sir, at long last? Have you left no sense of decency? Mit der Ausstrahlung der Verhöre im Politmagazin See It Now wurden im Frühjahr 1954 über 20 Millionen Amerikaner_innen vor dem Fernseher Zeugen, wie sich US-Senator Joseph McCarthy durch offenbare Verleumdungen und rüpelhaftes Benehmen entlarvte. Die “Haben Sie keinen Anstand”-Frage läutete die moralische und politische Niederlage McCarthys ein.

Angels in America wurde mit einem äußerst ungewöhnlichen Budget von 60 Mio. Dollar und in Starbesetzung verfilmt. Regie führte Mike Nichols. Die Miniserie verbindet die Größe des Films mit der Theatralik der Bühne und der Unmittelbarkeit des Fernsehens. In den Hauptrollen glänzen Al Pacino, Meryl Streep, Emma Thompson, Mary-Louise Parker, Justin Kirk und Jeffrey Wright. Größtenteils spielen sie mehrere Rollen. Imposant ist vor allem Meryl Streep in den Rollen des Rabbi Isidor Chemelwitz, Hannah Pitt und Ethel Rosenberg. Die Miniserie erhielt zahlreiche Preise, darunter allein 11 Auszeichnungen bei den Emmy-Awards.