Ein Manifest für Cylons? – Feminismus im Streit mit Battlestar Galactica
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In der letzten Ausgabe von previously haben wir uns bei der Suche nach utopischen Impulsen in der Science Fiction-Serie Battlestar Galactica vor allem auf die Darstellung der Menschen und ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse konzentriert. Heute wollen wir uns bei gleicher Fragestellung der Beziehung von Mensch und Maschine widmen, wobei der Fokus diesmal also auf der Darstellung der Cyborgs von Battlestar Galactica liegen wird – den sogenannten Cylons.
Im Intro der ersten beiden Staffeln wird der Grundkonflikt ungefähr folgendermaßen vorgestellt: „Die Cylons wurden von Menschen geschaffen. Sie entwickelten sich weiter. Sie rebellierten gegen ihre Schöpfer. Von ihnen existieren viele Kopien. Und sie haben einen Plan.“
Dieser Plan besteht zunächst eindeutig in der Vernichtung der Menschheit. Dabei hilft ihnen besonders ihre überlegene Technologie – die Entwicklung von zwölf organischen Modellen, die nicht von Menschen zu unterscheiden sind. Dabei, dies als klassischer Topos jeglicher Horror-Fiktion, kann jeder Cylon auf doppelte Weise ewig wiederkehren: zum einen in Form seines direkten Nachfolgers durch Bewusstseinstransfer in einem neuen, identischen Körper, was die Cylons prinzipiell unsterblich macht; zum anderen in Form des Doppelgängers, durch unendlich duplizierbare, voneinander nicht zu unterscheidende Kopien. Während diese Kopien sich untereinander problemlos erkennen, gelingt dies den Menschen selbst nach lang andauerndem und intensivem Kontakt offenbar nicht. Selbst der Kampfpilot Karl Agathon, seit Beginn der Serie mit einem Cylon liiert und in dieser Position früher Fürsprecher einer Kooperation zwischen beiden Spezies, ist offenbar nach jahrelanger Ehe nicht in der Lage, seine Frau von anderen Kopien des gleichen Modells zu unterscheiden – er fällt auf die Verführungskünste einer anderen Kopie herein.
Entgegen der Vermutung und Hoffnung der feministischen Technikphilosophin Donna Haraway, die in der Metaphorik der Cyborgs einen möglichen Weg aus dem „Labyrinth der Dualismen“ ausmachte, sind die Cyborgs von Battlestar Galactica also klar gegendert. Dies wird bereits in der Eingangsszene des Pilotfilms deutlich gemacht, in welcher ein erstes organisches Modell präsentiert wird: Eine platinblonde Schönheit, mit einem engen, kurzen, knallroten Kostüm und hohen Stiefeln ausgestattet, verführt den Kommandanten einer Weltraumstation, noch während diese in die Luft fliegt. Dem Verführungsversuch des später als ,Number Six’ vorgestellten Modells folgt unmittelbar die Vernichtung des Mannes. Das Bedrohliche und Dämonische einer außer Kontrolle geratenen Technik wird also bereits in dieser Eingangsszene über das Bild der sexuellen, destruktiven Maschinenfrau transportiert, ein seit Fritz Langs Metropolis gängiges Filmmotiv, das seine literarischen Vorgänger wiederum in den Maschinenfrauen der Romantik hat. Sämtliche Kopien von Number Six, eines von den drei weiblich konnotierten Cylonmodellen, werden dabei zunächst durchgängig mit den Merkmalen einer klassischen Femme fatale ausgestattet – übererotisierte weibliche Attraktivität, Intelligenz, Gefühlskälte und manipulative Fähigkeiten. Der Verführungskunst einer später als Caprica Six bekannten Kopie ist überhaupt die Zerstörung der zwölf Kolonien zu verdanken – durch eine Affäre mit dem führenden KI-Experten Dr. Gaius Baltar erhält sie vollen Zutritt zu den kolonialen Sicherheits- und Verteidigungssystemen. Weitere Kopien versuchen sich in der Verführung von Karl Agathon und Commander Adama. Bei den beiden anderen weiblichen Cylonmodellen zeigen sich ähnliche Muster der Bedrohung des Männlichen, wenn sie auch nicht so hypersexualisiert dargestellt werden wie Number Six: Eine Kopie der Number Eight-Linie, später bekannt als Athena-Sharon, wird von den Cylons zu Reproduktionszwecken gezielt auf die Verführung des Kampfpiloten Karl Agathon, der sich auf dem verwüsteten Planeten Caprica durchschlagen muss, angesetzt. Eine weitere Kopie des gleichen Modells, die sich als Kampfpilotin Sharon Boomer Valerii an Bord der Galactica befindet und so programmiert ist, dass sie sich selbst für einen Menschen hält, bringt durch ihre ferngesteuerten Sabotageakte ihren Liebhaber, den Chefingenieur Galen Tyrol, in ständige Schwierigkeiten, und führt schließlich einen Mordanschlag auf den Commander aus. Die erste gezeigte Number Three, die sich als Reporterin ausgibt, erprobt ihre weiblichen Reize umgehend beim Sohn des Commanders. Dieses Muster ist umso auffälliger, als dass es keinerlei Entsprechung in der Darstellung der männlich konnotierten Cylons gibt.
In der Repräsentation der weiblichen Modelle als Femme fatale gibt es jedoch einen entscheidende Bruch zur klassischen Darbietung, in der sie normalerweise zum Schluss zerstört oder zumindest unschädlich gemacht werden. Dies ist in Battlestar Galactica nicht der Fall – solcherlei Versuche scheitern schon allein aufgrund der ,Auferstehungs’-Technologie. In diesem Detail hat die Kulturwissenschaftlerin Susan George eine signifikant postmoderne, ja sogar posthumane Wende in der Darstellung der Maschinenfrau ausgemacht. Dies ist allerdings insofern fraglich, als das zweite Rollenmodell, das gerade der zentralen Sechser-Kopie, Caprica Six, angedacht wird, auf eine der Femme fatale diametral entgegengesetzte Inszenierung von Weiblichkeit verweist: die der aufopfernden, fürsorglichen Mutter. Während diese Rolle für den ehemaligen Vamp in Form der eigenen Schwangerschaft erst sehr spät kolportiert wird, findet sie sich von Beginn an bei der Number Eight, die von den Cylons auf Karl Agathon angesetzt wurde. Deren Plan gelingt nur teilweise: Zwar wird sie tatsächlich schwanger, wechselt jedoch, da sie sich inzwischen in Karl verliebt hat, die Fronten. Ihr weiteres Verhalten ist sowohl von der Fürsorge um ihr Kind als auch von äußerst kooperativem und aufopferungsvollem Verhalten gegenüber den ihr feindselig und misstrauisch eingestellten Menschen gekennzeichnet, für deren Anerkennung sie wiederholt Demütigungen und sogar körperliche Pein auf sich nimmt.
Generell sind es die weiblichen Modelle, die allmählich die Annäherung an die Menschen suchen, wobei der Auslöser immer in der Liebesbeziehung zu einem Mann besteht: Caprica Six liebt Baltar, Athena-Sharon liebt Karl, Boomer-Sharon liebt den Chefingenieur Chief Tyrol. Es sind ebenfalls ausschließlich die weiblichen Modelle, die sich um das Wohl des aus der Verbindung von Karl und Athena-Sharon entstandenen Kindes Hera sorgen und dessen Existenz eine höhere Bedeutung zumessen, und – damit verbunden – die biologische Reproduktion der eigenen Replikationstechnologie vorziehen. Als Donna Haraway meinte, sie würde vermuten, daß Cyborgs stärker mit Regeneration verbunden sind und der reproduktiven Matrix und dem Gebären als solchem eher skeptisch gegenüberstehen, hat sie sich bezüglich der Cylon-Cyborgs gründlich geirrt. Die ihnen zur Verfügung stehende Auferstehungs-Technologie wird offenbar als unzulänglich empfunden.
Die Suche nach Annäherung an die Menschen wird also durch eine auf mehreren Ebenen fortschreitende Humanisierung der Cyborg-Konstitution begleitet, die von den weiblichen Modellen ausdrücklich gewünscht und als Vervollkommnung begriffen wird. Dazu zählen die Entwicklung moralischer Standards, das unbedingte Bemühen um die Möglichkeit biologischer Reproduktion und letztendlich auch die freiwillige Aufgabe der Replikationstechnologie, also der Verlust an Unsterblichkeit – beziehungsweise wohl eher der Gewinn an Sterblichkeit, wie eine Number Six dem skeptischen Regierungsrat der Kolonialflotte erläutert:
„In our civil war, we ’ve seen death. We ’ve watched our people die. Gone forever. As terrible as it was beyond the reach of the resurrection ships, something began to change. We could feel a sense of time, as if each moment held its own significance. We began to realize that for our existence to hold any value, it must end. To live meaningful lives, we must die and not return. The one human flaw that you spend your lifetimes distressing over, mortality, is the one thing, … Well, it’s the one thing that makes you whole.”
Die Bedeutung des Gesagten wird durch die gewählten Umstände – die erste vor dem Regierungsrat gehaltene Rede eines Cylons – noch unterstrichen. Schließlich geht es um die Anerkennung der Maschinen als gleichwertige Verhandlungspartner, um das Zugeständnis ihres Subjektstatus. Dass für diese Anerkennung die Vermenschlichung der Maschine im Sinne einer Imperfektionierung vorausgesetzt wird, deutet der Technikphilosoph Karsten Weber wie folgt: „Menschen können Perfektion nicht ertragen, weil sie sich unterlegen fühlen – und sie es objektiv auch sind. Das perfekte Wesen muss einen Makel bekommen, bevor es von den Menschen akzeptiert werden kann.“
Aber auch die entgegengesetzte Richtung findet in Vertretung des Einser-Modells ihren Ausdruck. Verschiedene Number One, die als John Cavil bekannt werden, treten zunächst als Priester getarnt in Erscheinung. Bald stellt sich jedoch heraus, dass sie innerhalb der als prinzipiell monotheistisch geltenden Cylon-Gesellschaft durchweg atheistische und nihilistische Positionen vertreten. Es sind auch die Cavils, die das Perfektionsideal in Richtung einer Überwindung der den organischen Modellen zugrundeliegenden menschlichen Konstitution verstehen und ihren Subjektstatus eben nicht an eine weitere Vermenschlichung koppeln. Sie hadern mit den menschlichen Anteilen ihrer Körper und versuchen, deren Begrenzungen durch gezieltes Training auszuschalten. Doch diese Bemühungen zeitigen nur begrenzten Erfolg, wie folgender Monolog eines verbitterten Cavils zeigt:
„ I don’t want to be human! I want to see gamma rays. I want to hear x-rays, and I want to… I want to smell dark matter. Do you see the absurdity of what I am? I can’t even express these things properly, because I have to… I have to conceptualize complex ideas in this stupid limiting spoken language. But I know I want to reach out with something other than these prehensile paws, and feel the solar wind of a supernova flowing over me. I’m a machine. And I could know much more. I could experience so much more, but I’m trapped in this absurd body.”
Das Bemühen um die Überwindung der menschlichen Konstitution wird bei Cavil an Charaktereigenschaften wie Sadismus, Zynismus und Skrupellosigkeit gekoppelt, die wiederum aus seinem dezidiert a- und antireligiösen Standpunkt abgeleitet werden. So wird erwähnt, dass Cavil gegen seine ursprüngliche Glaubens-Programmierung rebellierte, sie schließlich ausschaltete und damit buchstäblich jeglichen Sinn für Moral abschalten konnte. Damit wird zum einen das Streben nach einer posthumanen Konstitution als anti-human im normativen Sinne gewertet. Zum anderen werden Religion und Religiosität als unhintergehbare Voraussetzungen für moralische Urteilskraft gesetzt, was einer in der Theologie, aber auch in der Religionssoziologie und -philosophie bis heute leider recht beliebten These entspricht. Wenn auch die Rolle von Religion in Battlestar Galactica durchaus ambivalent behandelt wird – so wird der Monotheismus der Cylons zunächst vorrangig in seinen fundamentalistischen Ausprägungen dargestellt – so wird doch deutlich, dass die in der Serie dargelegte Moralkonzeption der Idee einer sich aus immanenten Philosophien begründeten Ethik regelrecht entgegenarbeitet.
Die im Laufe der Serie zunehmende Annäherung zwischen Menschen und Cylons erfolgt jedoch bei weitem nicht so unilateral, wie es aufgrund der bisherigen Schilderung scheinen mag. Auch seitens der Menschen sind Annäherungen zu beobachten. Besonders über Karl Agathon wird die Akzeptanz und Annahme einer ansonsten fremd und unkontrollierbar erscheinenden Cylon-Technologie vermittelt. Agathon entwickelt über seine persönliche Beziehung zu Athena-Sharon ein nahezu bedingungsloses Verständnis für diese Spezies. Als die Menschen in dem Virus, der ein Schiff der Cylons befallen hat, eine Chance zu deren vollständigen Vernichtung wittern und einen dementsprechenden Plan in die Wege leiten, vereitelt Agathon ihn selbst auf die Gefahr hin, wegen Hochverrats hingerichtet zu werden. Bei der Mission, das Replikationszentrum der Cylons zu zerstören und ihnen damit für immer ihre Unsterblichkeit zu nehmen, zögert er immer wieder und meldet angesichts der Tausenden von Cylon-Körpern, die dabei zerstört und damit unweigerlich getötet würden, Bedenken an. Schließlich ist er auch der Vater des ersten Nachkommens von Cylons und Menschen, dem Hybriden Hera. Die zweite Person, die auf eine ganz andere Weise eine Annäherung erfährt, ist der Wissenschaftler Gaius Baltar. Über seine Liebe zu Caprica Six und in permanenter innerer Auseinandersetzung mit ihr wendet er sich schließlich dem monotheistischen Glauben der Cylons zu und begibt sich innerhalb der Flotte auf Mission.
Gegen Serienende verschwimmen die Unterschiede zwischen Menschen und Cylons noch mehr: Die Galactica droht aufgrund von Materialermüdung und Verschleißerscheinungen auseinander zubrechen. Der Chefingenieur, mittlerweile als Cylon bekannt, schlägt dem Commander vor, zur Stabilisierung der Metallwände des Schiffes Cylon-Technologie zu nutzen, die aus organischem Granulat besteht. Die Hybridisierung des Schiffes beschränkt sich jedoch nicht allein darauf. Der Kampfpilot Samuel Anders, ebenfalls inzwischen als Cylon enttarnt, erhält während einer Meuterei auf der Galactica eine Kugel in den Kopf, nach der Operation fällt er ins Koma. Die verbündeten Cylons bringen ihre Medizintechnik an Bord der Galactica – einen glibberigen Hybridtank, durch den Anders mit dem Datenstrom des Cylonschiffs vernetzt und dadurch geheilt werden soll. Durch das inzwischen in die Metallwände der Galactica transferierte organische Granulat wird das Gehirn von Anders jedoch stattdessen versehentlich mit dem Energieversorgungsnetz des Schiffes verbunden – die Galactica bekommt ungewollt einen eigenen Hybridantrieb.
Die weltanschaulichen Annäherungen der ehemaligen Widersacher und das buchstäbliche Ineinanderfließen von menschlicher und cylonischer Technik, die Hybridisierung sowohl der Schiffe als auch der Humanoide verweisen auf den konstruktiven Charakter des Mensch-Maschine-Dualismus und stellen ihn damit gleichzeitig auf den Prüfstand. Gerade die Existenz des Hybrid-Kindes Hera, das als erster Nachkomme einer zukünftigen, sowohl die Cylons als auch die Menschen hinter sich lassenden Generation gesehen wird, stellt die zugrundegelegte Grenzziehung zunehmend in Frage. Dies kulminiert am Serienende: Hera, halb Mensch, halb Maschine, wird als die erste Vorfahrin der gesamten heutigen Menschheit vorgestellt, was sich gewissermaßen als Versinnbildlichung der Aussage, dass die Künstlichkeit für den Menschen immer schon natürlich war und ist, interpretieren lässt.