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Janice Soprano: “That bitch is lucky I didn’t kill her!”

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Reading the Sopranos, Investigating the Sopranos, The Psychology of the Sopranos, The Sopranos and Philosophy: I Kill Therefore I Am, The Sopranos on the Couch – Analyzing Television’s Greatest Series, A Sitdown with the Sopranos: Watching Italian American Culture on TV’s Most Talked-About Series … keine us-amerikanische Fernsehserie ist so intensiv diskutiert wurden wie HBOs The Sopranos. Wir haben die umfangreiche Literatur gesichtet und werden bei previously in loser Fortsetzung die interessantesten Analysen vorstellen. Heute Teil 1 – Janice Soprano: “That bitch ist lucky I didn’t kill her!”

Von den Frauen der Soprano-Familie ist Janice Soprano sicherlich die am wenigsten kritisch beleuchtete Figur. “What do we do with Janice?” fragt Valerie Palmer-Mehta in ihrem Beitrag Disciplining the Masculine – the disruptive power of Janice Soprano.
Janice Soprano ist die ältere Schwester des Mafia-Bosses Tony Soprano. Nach Beendigung der Highschool schloss Janice sich einem Ashram in Los Angeles an. Nach Reisen durch Europa und Asien, jobbte sie in einer Espressobar in Seattle. Janice bezieht Arbeitsunfähigkeitsunterstützung, da sie durch die Arbeit an der Milchschaum-Maschine  am Karpaltunnelsyndrom erkrankt ist. Schließlich kehrt sie nach New Jersey zurück, um nach ihrer invaliden Mutter zu schauen – und ihrer Erbschaft.


Janice Beziehung zu Tony ist von Spannungen gekennzeichnet. Er hat nicht vergessen, dass sie die Familie verlassen hat und er alleine mit der Mutter zurecht kommen musste. Tony weiß aber auch, dass sie besonders stark unter der “Dragon Lady” gelitten hat. Daran erinnert er seine Mutter, als diese sich abwertend über Janice unsteten Lebenswandel äußert.

Obwohl sie sich dies niemals eingestehen würde, ähnelt die Persönlichkeit von Janice sehr der ihrer Mutter, Livia Soprano. Die herrschsüchtige und intrigante Matriarchin der Soprano-Familie schreckt noch nicht einmal vor einem Mordkomplott gegen ihren Sohn zurück. Tony sagt daher folgerichtig zu ihr:

“Alle hielten Dad für rücksichtslos, aber das muss ich dir lassen. Wärst du nach den Feministinnen geboren, wärst du der große Gangster geworden.”

Livia Soprano und ihre Tochter Janice – sie sind manipulativ, selbstsüchtig, unberechenbar und leiden beide an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Die Liste von Janices Verfehlungen ist lang.  Sie verursacht nur deshalb weniger Schaden weil ihre Bühne kleiner ist. Wäre sie an Tonys Stelle – von ihr würde deutlich mehr Gefahr ausgehen. Oft entsteht der Eindruck sie wäre der bessere Mobster. Als italienisch-amerikanische katholische Frau und Teil der Mafiafamilie ist Janice allerdings angehalten, sich in der respektablen Rolle der Ehefrau und Mutter einzurichten. Mit traditionellen Rollen aber hat sie Schwierigkeiten. Bei ihren Versuchen stereotype feminine Verhaltensweisen zu adaptieren kann sie ihren Widerwillen nur schwer verbergen. Stattdessen kopiert sie erfolgreich Verhalten und Taktik ihrer männlichen Mafiamitglieder. Immer wieder schwankt Janice unschlüssig zwischen der Performance traditioneller Weiblichkeit und der Aneignung von als männlich bezeichneten Verhaltensweisen hin und her. Mit ihrem femininen Maskenspiel unterstreicht sie die Tatsache, dass die so genannte Weiblichkeit konstruiert ist und quasi erlernt werden muss. Die Vorstellung, dass so genannte Männlichkeit männlichen Körpern natürlicherweise anhaftet und dass imaginierte Weiblichkeit natürlich oder normal ist, wird hierdurch in Frage gestellt.

Das soziale Umfeld erwartet von Janice wie auch von allen anderen Frauen, Bedrohungen und häusliche Gewalt widerspruchslos hinzunehmen. Nun ist Janice zwar bereit, hin und wieder ein bisschen feminines Rollenspiel zu betreiben, um sich in ihre Umgebung einzupassen. Aber Misshandlungen akzeptiert sie nicht: Während der Vorbereitungen für das Abendessen geraten Janice und ihr Verlobter, Richie Aprile, in einen Streit über die Akzeptierbarkeit der vermuteten Homosexualität von Richies Sohn. Im Streitgespräch offenbaren sich Janice Schwierigkeiten, die ihr zugedachte weibliche Rolle als angehende Ehefrau widerspruchsfrei und in Gänze auszufüllen. Zwar hat sie für Richie Abendessen gekocht, aber der Streit mit ihm ist ihr willkommener Anlass, sich darüber heftig zu  beklagen: “I’ve been in this house cooking you fucking dinner allday.” Auch die Pflege ihrer Mutter, die mit im Haus wohnt, hat ihre Grenzen. Janice hat Livia unter Schlafmittel gesetzt, um später am Abend ungestört mit Richie Sex haben zu können. Die Aufforderung Richies, endlich das Essen auf den Tisch zu bringen und den Mund zu halten kann Janice nur ignorieren. Als sie darauf besteht, dass es keinen Unterschied macht ob Richies Sohn schwul ist oder nicht, schlägt ihr Richie mit der Faust ins Gesicht. Danach füllt er sich betont lässig einen Teller mit Essen, während Janice um Worte ringt. Aber aus ihrer Sicht gibt es nichts mehr zu sagen. Richies Nachfrage, ob sie gleich anfangen werde zu weinen entlarvt ihn als schlechten Beobachter. Dass Janice über ein umfangreiches Repertoire an Reaktionen verfügt ist ihm fataler weise entgangen: Janice wird nicht in Tränen ausbrechen.

In den Diskussionen über diese Episode bildeten sich am Morgen nach der Ausstrahlung zwei Gruppen mit gegensätzlichen Einschätzungen: Mehrheitlich Männer hielten Janice für verrückt und meinten, sie habe drastisch über reagiert. Die meisten Frauen hingegen sagten, sie hätten seit “Thelma und Louise” keine so befriedigende Antwort auf häusliche Gewalt gesehen.

Ein feministisches role modell ist Janice allerdings nicht. Die Manipulationen, die sie gegen die Kinder von Bobby einsetzt, um sich nach dem Tod von dessen Ehefrau Platz in der Familie zu verschaffen, sind doch zu irritierend. Es entsteht vielmehr der Eindruck dass Janice zu allem bereit ist, um an ihr Ziel gelangen, egal wem sie dabei Schaden zufügt. Leider legt das auch die Interpretation nahe, dass Janice nicht deshalb so widerspenstig ist, weil sie so stark und kompetent wie ihre männlichen Gegenspieler ist, sondern weil ihr das ethische Fundament der anderen weiblichen Figuren fehlt.