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Die beste neue Serie: Homeland

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Auch bei uns war die berechtigte Sorge vorhanden, dass Qualitäts-TV-Serien trotz Fanliebe und Kritiker_innenlob zunehmend verschwinden würden, die gegenüber unabhängig voneinander send- und konsumierbaren einzelnen Episoden entsprechend geringere Werbeeinnahmen erzielen und deshalb von den Sendern oft nicht genügend geschätzt werden. So gab es zwar immer wieder löbliche Versuche und Ausnahmen, die Mehrzahl der neuen Serien ist trotzdem immer häufiger dem Comedy Genre zuzuordnen.

Aber wir wurden überrascht – und wie! Homeland” heißt die Perle der anspruchsvollen, gesellschaftskritischen und extrem fesselnden Qualitäts-TV-Serie, die durch eine Vielzahl überraschender Wendungen, überragende Schauspieler_innenleistungen und fantastische Bild- und Tonarbeiten glänzt. Dies stellt uns vor die Schwierigkeit, Homeland angemessen vorzustellen, ohne allzuviel von den zugrundeliegenden Handlungsbögen zu verraten.

“The nation sees a hero. She sees a threat.” – So lautet die Tagline von Homeland, die die grobe Serienidee beschreibt. Nach über 8 Jahren Gefangenschaft bei bei Al Quaida wird der Marine Nicholas Brody überraschend befreit und als heimkehrender Held gefeiert. Als Carrie Mathison, CIA Operations Officer beim Counterterrorism Center in einem Briefing davon erfährt, ist sie überzeugt, dass es sich bei ihm um einen für Al Quaida arbeitenden Agenten handelt. Carrie hatte vor Jahren von einem ihrer Informanten erfahren, dass Al Quaida einen us-amerikanischen Gefangenen in ihrer Gewalt hätte, der für sie arbeiten würde. Sie versucht, ihren Vorgesetzten von einer Überwachung zu überzeugen. Als dies scheitert, handelt sie auf eigene Faust und lässt von einem Freund, einem der wenigen, die sie hat, Brodys Haus verkabeln.

Gewissensbisse wegen Rechtsverletzungen hat sie keine, und trotzdem wird in keiner Szene von “Homeland” suggeriert, dass der Zweck die Mittel heilige. Danach werden wir Carrie oft vor den in ihrem Wohnzimmer aufgebauten Monitoren sehen, einsam und Kassandra gleich von ihrer Intuition überzeugt, die von der Angst vor einem neuen Anschlag gespeist wird, den sie mit allen Mitteln verhindern will.

Von den einheimischen Politikern als – Zitat – “Posterboy for the War” gefeiert, kehrt Brody nun nach 8 Jahren Isolationshaft und Folter schwer gezeichnet in ein nicht einfaches Umfeld zurück. Seine Frau Jessica, dargestellt von Morena Baccarin und bekannt durch “Firefly”, erhält seinen ersten Anruf, während sie mit seinem ehemals besten Freund im Bett liegt, der in der Zwischenzeit Brodys Stelle in der Familie eingenommen hatte. Obwohl beide kurz davor standen, ihre Beziehung offiziell zu machen, kehrt Jessica zurück und nimmt ihre alte Rolle an Brodys Seite wieder ein. Die beiden gemeinsamen Kinder erinnern sich kaum oder wenig an ihn, und während der 11jährige Chris eingeschüchtert reagiert, durchlebt Tochter Dana gerade ihre Pubertät, Alkohol und Hasisch inklusive. Familie, einer der großen traditionellen Institutionen, wird hier ungeschönt gezeigt. Alle bemühen sich, diesem Bild gerecht zu werden, aber die Risse lassen sich nur mühsam übertünchen.

Nicholas Brody versucht, nach außen hin stabil zu erscheinen und den Anforderungen an sein durch die Armee geprägtes Selbstbild gerecht zu werden. Dabei sehen wir genau wie Carrie an ihren Monitoren – Brody ist stark traumatisiert. Seinen ersten Tag allein in Freiheit verbringt er zusammengekauert in einer Ecke des Schlafzimmers, er hat Alpträume und schläft neben dem Bett. Später schlägt er einen Reporter zusammen, der versucht ihn zu fotografieren.

Aber wir sehen auch Dinge, die Carrie verborgen bleiben. In körnig erscheinenden Rückblenden werden immer wieder Details mit teilweise extremen Grausamkeiten aus der Vergangenheit Brodys enthüllt. Einige stützen seine Erzählungen, andere werden als Lügen entlarvt.

Dabei ist nicht klar, inwieweit Carrie sich selbst und wir ihren Überzeugungen trauen können. Ihre manische und unglamouröse Besessenheit speist sich nicht nur aus ihren Erfahrungen, sondern auch aus einer bipolaren affektiven Störung (früher unter dem Namen “manisch-depressiv” bekannt), die sie vor ihrem Arbeitgeber geheimhält, um nicht als “unfit for the job” entlassen zu werden. Die Tabletten erhält sie von ihrer Schwester, die ihrer Wahl der Selbstmedikation mehr als kritisch gegenübersteht.

Die 1. Staffel hält die Spannung der tagline – “The nation sees a hero. She sees a threat.” aufrecht, in dem sie konsequent nicht nur mit den Erwartungen der Zuschauer_innen spielt, sondern auch die handelnden Personen immer wieder aus der Bahn wirft und ihre sicher geglaubten Erkenntnisse auf den Kopf stellt.

“Homeland” lotet die innere Zerrissenheit zwischen dem “Kampf gegen Terror”, dessen Paranoia und der “Freiheit des Westens” aus. Die Macher der Serie, die vorher bei “24” gearbeitet hatten, (eine Serie, in der Folter und Brutalität übel als notwendig gerechtfertigt dargestellt wurden) zeigen hier die Kompromisse, die Washington täglich trifft und die PR, um die Öffentlichkeit auf ihrer Seite zu halten. “Homeland” lässt in keiner Sekunde die Einbußen der Menschlichkeit und sicher geglaubten Werte vergessen, die ein Krieg fordert.

Und hier setzt auch eine Kritik an “Homeland” an: als Motiv des Terrors wird an verschiedenen Punkten der Serie Rache für erlittenes Leid gezeigt, ganz so, als ob der Jihad mit seinem Hass auf den Westen und seine Liebe zum Tod nicht ausnahmslos uns alle zu treffen versucht, und eben nicht nur Soldaten, wo das Motiv “Rache” unter Umständen Bestand haben könnte. Selbst dann wäre eine Glorifizierung Carries, der CIA und des “Kampfes gegen den Terror” in “Homeland” nicht eingetreten.

Getragen wird die Serie von überragenden und komplexen Schauspielerdarstellungen. Hier ist niemand nur gut oder böse, die Zerrissenheit ausnahmslos aller ist fast immer deutlich. So sehen wir auch potentielle Verräter und Karrieristen auf Seiten des Staates und der CIA, während potentielle Bedroher_innen des fragilen Friedens – der eben gar nicht existiert – ebenfalls nuanciert dargestellt werden.

Die Frage nach dem Bechdel-Test stellt sich wohltuenderweise gar nicht. Eine Vielzahl von starken Frauenpersonen spielt in “Homeland”, eine genauere Untersuchung dieser Figuren werden wir bei previously senden, wenn ihr alle die 1. Staffel von Homeland gesehen habt. Zurecht wurde die Serie als Bestes neues Drama mit dem Golden Globe ausgezeichnet, während Claire Danes als beste Schauspielerin geehrt wurde.

Die erste Staffel wurde kurz nach dem 10. Jahrestag von 9/11 ausgestrahlt und lief bis Mitte Dezember. Auch wenn wir in unserer Besprechung heute nicht mehr verraten wollten, gesagt sei soviel:- im Serienfinale wurden nicht alle Fragen beantwortet, und es bleiben genügend Spuren, um eine 2. interessante Season vorstellbar zu machen.

Viel versprechend bezog sich der einer der Schöpfer der Serie, Alex Gansa, auf auf eines der ganz großen Dramen, als er über die nächste Staffel sprach: – Zitat – “Ohne zuviel verraten zu wollen denke ich, dass es anders sein wird, so wie alle großen Serien jedes Jahr verschieden waren. Denkt an “The Wire”. Sie erfand sich jedes Jahr neu.”