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Entertainment, Feminismus & starke Frauen: mustergültig!

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Politische Skandale gehören zum us-amerikanischen Tagesgeschäft. Wer dort in die Politik geht, hat sich für ein Leben in der Öffentlichkeit entschlossen: Steuererklärungen, Einkunftsbescheinigungen, Gesundheitschecks, all dies ist einsehbar. Und die Berichterstattung macht vor dem Privatleben, anders als hierzulande, nicht halt.

Dies zeigt ein grundlegend anderes Demokratieverständnis. Während hierzulande zum Beispiel über die sexuelle Orientierung von Politikern geschwiegen wird, weil diese im Privatleben verortet wird, wäre dies in den USA undenkbar. Jörg Haiders Homosexualität hätte sein ultrarechtes konservatives Weltbild zumindest kontrastiert, und sein Erfolg wäre unter seinen größtenteils homophoben Anhänger_innen kaum mehr denkbar gewesen. In den USA hingegen muss sich ein Politiker oder eine Politikerin daran messen lassen, ob ihre geäußerten Meinungen und Überzeugungen auch mit dem Privatleben übereinstimmen, schließlich steht man als Politiker_in im Dienste des Volkes.

Und so gibt es ein bestimmtes Procedere bei den Verfehlungen jeglicher Coleur: der – meist männliche –  Delinquent tritt gemeinsam mit der Ehefrau vor die Kamera und bittet öffentlich um Vergebung, während die gedemütigte Ehefrau stumm im Hintergrund steht. Noch gut im öffentlichen Gedächtnis dürften Hillary und Bill Clinton, Eliot Spitzer oder John Edwards sein.

Und an dieser Stelle setzt The Good Wife ein: Peter Florrick, Chicagos Staatsanwalt, tritt vor die Kamera und gesteht seine Fehltritte, seine Frau Alicia steht bleich hinter ihm.

Anschließend muss er ins Gefängnis, ihm wird Veruntreuung von Staatsgeldern in Verbindung mit einem Prostituionsskandal vorgeworfen. The Good Wife beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die – sonst unhörbare – Ehefrau fühlt, und inwieweit sich ihr Leben ändert.

Neben der öffentlichen Bloßstellung sind die Veränderungen in ihrem Privatleben kollosal: sie wird aus ihrer sozialen Milieu ausgeschlossen und zieht aus der noblen Vorortvilla mit ihren beiden halbwüchsigen Kindern in eine Stadtwohnung und beginnt nach über dreizehnjähriger Pause als Juniorpartnerin in einer Rechtsanwaltskanzlei. Im Privatleben wird sie dabei von ihrer Schwiegermutter, die fest an die Unschuld ihres Sohnes glaubt, unterstützt.

In ihrer Arbeit wird schnell klar, dass sie mit dem jungen Harvardabsolventen Cary Agos, der gleichzeitig mit ihr angestellt wurde, um einen unbefristeten Arbeitsvertrag konkurrieren muss.

The Good Wife zeigt dabei alle Merkmale einer us-amerikanischen Qualitäts-TV-Serie: Die hochkomplexe Geschichte erschließt sich nur bei der konsequenten Verfolgung der Serie, und während pro Folge ein Fall der Rechtsanwaltskanzlei durch Alicia Florrick und ihre Kolleginnen gelöst wird, werden kontinuierlich Details des Korruptions- und Prostitutionsskandal um Peter Florrick enthüllt, in dem nicht alles so ist, wie es scheint und viel der Interpretation der Zuschauer_innen überlassen bleibt, wieviel davon Wahrheit und wieviel Manipulation und Betrug sind.

Gleichzeitig entwickeln sich die unterschiedlichen Charaktere: mit zunehmendem beruflichen Erfolg wird Alicia Florrick, die nicht besonders viel spricht und versucht, ihrem zerbrochenen Leben mit stoischer Haltung zu begegnen und ihren eigenen Ruf unabhängig von ihrem früheren Leben als Ehefrau zu gestalten, zunehmend selbstbewußter. Obwohl sie sich entschieden hat, vorerst bei ihrem Mann zu bleiben, zeigt sie zumindest ihm gegenüber deutlich ihre Verletztheit.

Und während sie ihn bei seinem Prozess unterstützt und dafür sorgt, dass er das Gefängnis verlassen und mit Fußfessel in ihre neue Wohnung kommen kann, ist bisher offen, ob sie bei ihm bleiben wird und ob sie ihm verzeihen kann. Gleichzeitig werden Spannungen und Widersprüche gezeigt, die das sonst so gern in der Öffentlichkeit gepflegte Bild harmonischer Politikerehepaare mit Rissen durchziehen: auch wenn Alicia ihren Kindern Grace und Zach ein geborgenes Umfeld schaffen möchte, kann sie es nicht verhindern, dass diese inkriminierende Videos und Youtube Interviews mit ehemaligen Geliebten des Vaters zu sehen bekommen. Alicias moralische Ansprüche können nicht erfüllt werden, wenn sie lernt, dass ihr Arbeitgeber, die Rechtsanwaltskanzlei, den Schutz ihrer Mandanten und damit ihren Gewinn über die Frage nach tatsächlicher Schuld und Unschuld stellt, oder wenn sie gezwungen wird, den Kampagnenmanager ihres Mannes um Mandanten zu bitten, obwohl sie ihn aus tiefstem Herzen verabscheut, um ihren Job zu behalten. Alicia Florrick zeigt einen Lernprozess, der sie zur Korrumpierung ihrer Überzeugungen zwingt, wenn sie gleichzeitig wirtschaftlichen Zwängen, nämlich der Ernährung ihrer Familie, an erste Stelle setzen muss und merkt, dass sie ihre Kinder nur bedingt schützen kann, während sie gleichzeitig die Frage nach ihrem eigenen Glück stellt. Moral muss man sich eben erstmal leisten können.

Selbst den Bechdel-Test, der Filme und Serien danach kategorisiert, ob sie für Feministinnen und Feministen sehenswert sind, wird die ganze Zeit glänzend bestanden: in The Good Wife spielen viele starke Frauencharaktere, die beruflich oder privat miteinander verbunden sind und die zwar viel miteinander, keinesfalls jedoch nur über Beziehungen sprechen.

Da ist Kalinda Sharma, die überaus begabte, intelligente und unglaublich zynische Ermittlerin der Kanzlei, die vormals für Peter Florrick arbeite und nun Alicia unterstützt. Sie unterhält vielfältige Beziehungen zur Polizei und hält ihr Privatleben sehr bedeckt. Eine Szene mit einer Ermittlerin des FBI im Seasonfinale der ersten Staffel impliziert Bisexualität.

Die Kanzlei wird durch Diane Lockhart geleitet, die äußerst liberale Ansichten hat und weibliche Anwälte unterstützt. Gleichzeitig sorgt sie für einige der lustigsten Szenen, wenn sich zwischen ihr und einem ultrakonservativen Ballistikexperten eine Romanze anbahnt und sie sich gegenseitig Biographien ihrer politischen Heroinen schenken: Hillary Clinton und Sarah Palin. Hier ist interessant, wie die aktuellen Diskurse um feministische Haltungen dargestellt werden, wenn eben Sarah Palin zwar auf den Erfolgen der feministischen Bewegung aufbaut, aber diese keinesfalls repräsentiert.

Ein weiterer Seniorpartner ist neben Diane Lockhart Will Gardner, der äußerst pragmatisch die Interessen der Kanzlei vertritt, aber gleichzeitig Alicia begehrt. Und während später enthüllt wird, dass die beiden sich schon aus dem College kennen, sieht sich Alicia wieder zu sehr in ihren persönlichen familiären Verhältnissen gefangen, um einfach für sich allein eine Entscheidung für ihr persönliches Glück zu treffen.

Weit mehr gefangener in ihren sozialen Überzeugungen und Kastenbewußtsein ist Jackie Florrick, Alicias Schwiegermutter, die unter dem sozialen Abstieg am meisten leidet und sich nichts sehnlicher wünscht, als dass die Ehe ihres Sohnes Bestand hat und er seine Karriere wieder aufnehmen kann. Sie kann Alicias Wandel von der Ehefrau im Hintergrund zur berufstätigen Mutter am schwersten akzeptieren.

Auffällig ist das für eine TV-Serie zumindest bisher ungewöhnlich hohe Alter der Hauptdarstellerin. Hier ist eine über 40jährige die Hauptperson, und auch die anderen Protagonisten im Arbeitsleben haben ein für ihre jeweilige Rolle glaubwürdiges Alter. Dies ist wohltuend, wenn man sich z. B. an Krankenhausserien erinnert, in denen die Darsteller zwar 10 Jahre studiert haben, aber trotzdem wie Mitte 20 erscheinen und trotz 24h Schichten und enormem Druck nie Augenringe haben.

The Good Wife entwickelt sich vor dem Hintergrund einer – wenn nicht durchgängig reichen – so doch zumindest gutsituierten Mittelschicht. Gleichzeitig haben die Drehbuchschreiber_innen und Produzent_innen darauf geachtet, nicht nur weiße Darsteller_innen zu casten, sondern eine Wirklichkeit der vielfältigen Ethnien und Kulturen in den USA abzubilden.

Hier lohnt ein Blick auf die Produzent_innen: Neben Michelle und Robert King, die die Serie entwickelten, ist unter anderem Ridley Scott im Team, der als Regisseur des ersten Alien Films mit Sigourney Weaver in der Hauptrolle und in “Thelma und Louise” starke Frauen in den Hauptrollen besetzte.

Auch die Riege der Darsteller_innen von The Good Wife ist exzellent: Alicia Florrick wird von Julianna Margulies gespielt, die hierzulande durch das Ärztedrama ER bekannt wurde. Weniger bekannt ist in unserer Provinz, dass sie ihre Abschlüsse am Sarah Lawrence College machte, einem der renommiertesten Colleges, das als äußerst liberal gilt und einen sehr guten Ruf für seine akademischen Standards hat und unter anderem Lesley Gore, JD Samson oder auch Alice Walker und Linda McCartney zu seinen Alumni zählen kann.

Kalinda Sharma wird von Archana Panjabi gespielt, die wir schon in “Kick it like Beckham” liebten, und Diane Lockheart wird von Christine Baranski dargestellt, die aus verschiedenen Sitcoms wie Cybill, Frasier oder auch Ugly Betty bekannt ist und bisher 8 Emmy Awards sowie 2 Golden Globes für ihre Seriendarstellungen gewann. Peter Florrick, der von Chris Noth gespielt wird, ist hierzulande am ehesten durch seine Rolle als Mr. Big aus Sex and the City bekannt.

The Good Wife wurde trotz seiner kurzen Laufzeit von erst einer Staffel mit Preisen geehrt: neben einem Golden Globe Award und einem Screen Actors Guild Award für Julianna Margulies ist die Serie für 9 Emmys nominiert.

Im September 2009 begann CBS mit der Ausstrahlung der Dramaserie “The Good Wife”. Zuschauerzahlen und Kritiker_innenlob waren so stark, dass bereits im Oktober die Verlängerung von – für die First Season nicht unübliche Länge von 12 Folgen – auf die für etablierte Serien volle Länge von 23 Episoden beschlossen wurde. Die Ausstrahlung der 2. Staffel wird am 28. September beginnen. Eine fürs deutsche Fernsehen synchronisierte Version wird seit März bei Pro Sieben ausgestrahlt.

Interessant ist auch hier, inwieweit Inhalte und Intentionen der Serienmacher_innen in internationalen Übernahmen verändert oder gar sinnentstellt werden. Sind oft schon die Stimmen und lieblos gemachte Synchronisationen dem Seriengenuß nicht zuträglich oder verändern die originalen Charaktere auf extreme Weise bis zur Sinnentstellung, behielt die Serie in der deutschen Version immerhin ihren Titel. In Polen wird sie unter dem Titel “Die perfekte Ehefrau”, im ungarischen Fernsehen gar unter dem Titel “Zum Schutz meines Ehemanns” ausgestrahlt.