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“… Lass Dein Haar herunter!” – Shortcut Stories

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Die großen und kleinen Fernsehseriendramen werden des Öfteren auch über Frisuren angekündigt oder ausgetragen, genauer gesagt, über Kurzhaarfrisuren, und noch genauer: über weibliche Kurzhaarfrisuren.„Alles was ich wollte, war lange Haare haben!“ Betty Draper, die Vorzeigefigur einer unemanzipierten, neurotisch-verzweifelten Hausfrau, bringt den Erziehungsimperativ der 1960er Jahre für junge Mädchen auf den Punkt: Üben, üben, nochmals üben für die vorgesehene Rolle der Hausfrau und Mutter, die ihren Selbstwert allein über ihr Äußeres erfährt, das sich dabei vorzugsweise nach dem männlichen Begehren richtet. Nicht umsonst sind die wenigen harmonischen Szenen, die wir in der gesamten Serie zwischen Betty und Sally sehen, die, in denen sie ihre Tochter mit Lippenstift und Nagellack in die „Geheimnisse weiblicher Schönheit“ einweiht.

Das plötzliche Wechseln der Haartracht ist ein etabliertes literarisches wie filmisches Motiv. Das mag an der allgemein hohen Symbolkraft des Haares liegen, das schließlich zu den wichtigsten Möglichkeiten menschlicher Selbstdarstellung zählt. Die jeweils zugeschriebene Bedeutung von kurzem und langem Haar hängt natürlich vom jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext ab – und hierbei eben auch und vor allem vom zugeschriebenen Geschlecht. So signalisiert in den sogenannten westlichen Gesellschaften die Langhaarfrisur bei Männern häufig eine Distanz zum gesellschaftlichen Mainstream, während hingegen weibliche Kurzhaarfrisuren für Emanzipation und Unabhängigkeit stehen. Auch in unseren Lieblingsserien wird dieser Topos aufgegriffen und auf verschiedene Art und Weise verarbeitet – mal sehr gezielt in vordergründig-eindeutiger Absicht, mal eher dezent-indirekt, und in diesem Sinne deutungsoffen. Im Folgenden wollen wir neben dem bereits genannten Mad Men noch drei weitere Beispiele für die Inszenierung der weiblichen Haarfrisur besprechen.

Bei Starbuck, der Kampfpilotin aus Battlestar Galactica, kam vor dem Frisurenwechsel erst einmal der Geschlechterwechsel: In der Originalserie von 1978 war Starbuck ein Mann – draufgängerisch, rüpelhaft und oft aufbrausend. Der Wechsel zur weiblichen Pilotin Kara „Starbuck“ Thrace, der noch dazu kaum eine Änderung in der Charakterzeichnung nach sich zog, hat in Fanforen wie in der akademischen Genderforschung für viel Diskussionsstoff gesorgt. Die Philosophin Sarah Conly sieht in dem Starbuck-Charakter gar ein perfektes Beispiel für Judith Butlers These, dass das Geschlecht nicht qua Natur existiert, sondern durch performative Akte hergestellt wird. In der meisten Zeit zeigt die Pilotin Starbuck männlich konnotierte Verhaltensweisen (wenn diese in der utopischen Welt von Battlestar Galactica jedoch bei Weitem nicht mehr so stark gegendert sind wie in unserer jetzigen Gesellschaft). Wenn sie will oder gerade lustig ist, kann sie jedoch auch problemlos feminin geltendes Benehmen darstellen, welches sie in seiner Performanz regelrecht zelebriert – nur um Sekunden später für den nächsten Kampfeinsatz bereitzustehen. Während der Serie gibt es mehrere Domestizierungsversuche ihres unabhängigen Charakters: Als die Menschenflotte sich auf dem Planeten New Caprica neu ansiedelt, heiratet Starbuck den Piloten Anders, und legt offenbar ihren Beruf ad acta. Augenfällig trägt sie plötzlich langes Haar – passendes Zeichen ihrer neuen Rolle. Bei der Invasion der Cylons wird sie von ihrem ewigen Widerspieler Leoben in Arrest genommen. Er will ihre freiwillige Unterwerfung als seine Lebenspartnerin und spielt ein überaus morbides Ehepaar-Spiel mit ihr, das seinen Höhepunkt in der Vorstellung eines angeblich gemeinsamen Kindes gipfelt (wir erinnern uns – in der Science Fiction ist fast alles möglich, in diesem Fall muss wieder mal ein Genexperiment vorhalten). Starbuck, die von Leoben konsequent unter ihrem Vornamen Kara, und nie unter ihrem Kampfnamen angesprochen wird, entwickelt nach anfänglicher Abwehr tatsächlich elterliche Gefühle für das Mädchen Kacey. Nach erfolgreicher Beendigung der Besatzung und Flucht vor den Cylons fliegt der Schwindel jedoch auf, als Kara durch Zufall auf die biologische Mutter von Kacey trifft. Kara ist geschockt und verstört – von der Lüge, aber vor allem vom plötzlichen und unerwarteten Ende der eben begonnenen emotionalen Beziehung zu dem Kind. Sie stellt sich vor den Spiegel und schneidet sich mit ihrem Militärmesser die Haare ab. Kara wird wieder zu Starbuck.

Nicht ganz so augenfällig, jedoch mindestens ebenso bezeichnend gestaltet sich Carmela Sopranos Haircut gegen Ende der vierten Staffel. Carmela befindet sich inmitten ihrer unausgesprochenen Herzensangelegenheit mit Furio, einem italienischen Angestellten ihres Ehemannes Tony. Der Frisurenwechsel zeigt zunächst das offensichtliche Bedürfnis Carmelas nach etwas Neuem, nach Veränderung an – und damit eben auch just die Änderung, die Furio in ihr Leben gebracht hat. Tony hingegen kommentiert den neuen Look folgendermaßen…

Die Äußerung Tonys kennzeichnet die Verknüpfung der ästhetischen mit der ökonomischen Abhängigkeit: Ebenso wenig, wie Carmela finanziell eigenständig ist, besitzt sie die alleinige Verfügungsgewalt über ihr Äußeres. Dieses soll zuvorderst zum Wohlgefallen ihres Ehegatten ausfallen – was ganz klar eben nicht „short“ sein kann. Bezeichnend ist auch, dass kurz nach dieser offenbar bereits als eigenmächtig geltenden Handlung Carmela den Bruch vollzieht und nach Bekanntwerden einer Affäre ihres Mannes sich von ihm trennt. Der Haircut hält also gewissermaßen als Vorbote ihrer Loslösung von Tony her – wenn diese auch nur zeitweilig ist. Und folgerichtig trägt sie in den späteren Staffeln, in denen sie wieder zu ihrem Ehemann gefunden hat, auch wieder längeres Haar.

Bei Veronica Mars, der Hauptfigur der gleichnamigen Serie, gestaltet sich das Spiel der Frisuren recht vieldeutig – schon allein deswegen, weil der Wechsel der Haartracht nie direkt thematisiert oder gar gezeigt wird. Die Änderung der Frisur wird zunächst als dramaturgisches Mittel zum Anzeigen eines Zeitebenenwechsels eingesetzt, das den Zuschauer_innen die Unterscheidung der verschiedenen Zeiträume erleichtert, in denen die Serie spielt. So zeigen die in der ersten Staffel häufig eingesetzten Flashbacks, die die Vorgeschichte erzählen, Veronica mit langen Haaren. Der Wechsel zur halblangen Frisur erfolgte offenbar kurz nach der Ermordung ihrer besten Freundin, als sie durch die Ermittlungen ihres Vaters gegen die hochangesehene Familie der Ermordeten von ihren Altergenossen völlig isoliert wird. Neben dieser ersten Hilfsfunktion – also die Unterscheidung der Zeitebenen – sind zusätzlich mehrere Deutungen möglich: So kann der Haarschnitt auch den Eintritt in die Welt der Erwachsenen markieren. In vielen Teenieserien wird beispielsweise der Wechsel von der Highschool zum College mit einer neuen Haartracht angezeigt. Bei Veronica Mars fällt dieser Wandel mit einer markanten Charakterentwicklung zusammen: vom lieben und netten, ein wenig schüchtern-schwärmerisch anmutenden „Mädchen von Nebenan“ zu einer erzwungenermaßen starken und unabhängigen Persönlichkeit. Bemerkenswert erscheint im Laufe der Serie auch die weitere Entwicklung der Frisur, die mit der allmählichern Änderung ihres sozialen Status korrespondiert: von dem einer regelmäßig gemobbten und geschassten, wenn dabei auch sehr widerständigen Außenseiterin, zu einer zwar immer noch aus dem Rahmen fallenden, jedoch dabei sozial durchaus integrierten Person. Bereits im letzten Highschooljahr, spätestens aber auf dem College kann von einer sozialen Ächtung Veronicas keine Rede mehr sein, eher zollt man diesem selbstbewussten Sonderling zunehmend Bewunderung und Respekt. Und seltsamerweise wächst mit ihrer sozialen Integration und Anerkennung auch wieder ihr Haar …